Wie heiss sind unsere Städte?

Die zunehmende Verdichtung in Städten führt dazu, dass sich diese aufheizen und Wärmeinseln entstehen. Die Menschen leiden unter Hitzestress. Forschende der School of Engineering haben in Zürich ein Sensornetzwerk eingeführt, um städtische Wärmeinseln auszumachen.

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Dieser Artikel ist zuerst im Impact Magazin der ZHAW erschienen.

Mit dem fortschreitenden Klimawandel macht sich ein Phänomen der urbanen Entwicklung immer stärker bemerkbar: In sogenannten städtischen Hitzeinseln liegt die Durchschnittstemperatur oft deutlich höher als an den Rändern. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die dichte Bebauung mit Gebäuden und Strassen führt einerseits zu vielen dunklen Oberflächen, welche die Sonnenstrahlung stärker absorbieren, andererseits behindern sie die natürliche Luftzirkulation. Die einhergehende Versiegelung bietet ausserdem wenig Platz für Grünflächen, die durch Verdunstungseffekte regulierend auf das Umgebungsklima wirken.

Keine Abkühlung in den Nächten

Insbesondere nachts kühlen innerstädtische Gebiete daher nicht so stark ab wie die Umgebung. Der resultierende Hitzestress kann schwerwiegende Folgen für die Bevölkerung haben. «Besonders Kleinkinder, ältere Menschen oder jene mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden oft unter den höheren Temperaturen», erklärt Julien Anet, Leiter der Gruppe Meteorologie, Umwelt und Luftverkehr am Zentrum für Aviatik (ZAV) der ZHAW School of Engineering. Zusammen mit dem Basler Unternehmen meteoblue AG und dem Institut für Datenanalyse und Prozessdesign (IDP) der ZHAW haben er und sein Team daher ein Innosuisse-Forschungsprojekt lanciert, um Wärmeinseln ermitteln und untersuchen zu können.

«Besonders Kleinkinder, ältere Menschen oder jene mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden oft unter den höheren Temperaturen.» – Julien Anet, Leiter der Gruppe Meteorologie, Umwelt und Luftverkehr

Zwar lassen sich mit komplexen Simulationen Temperaturkarten erstellen, die Wärmeinseln in urbanen Räumen darstellen. Diese Modelle zu erstellen, ist aber aufwendig, und die Ergebnisse müssen mit Messdaten validiert werden. Im Forschungsprojekt des ZAV und des IDP wurden daher in den Städten Zürich und Basel zahlreiche Sensoren installiert, die unter anderem Temperatur und Luftfeuchtigkeit aufzeichnen. Allein in Zürich sind rund 300 dieser Sensoren installiert.

Nicht nur auf fixe Standorte setzen

«Die Daten, die wir daraus gewinnen konnten, sind bereits sehr aufschlussreich. Man muss aber die örtlichen Gegebenheiten der Sensoren berücksichtigen. Manche sind an besonders gut belüfteten oder schattigen Orten. Das beeinflusst die Messwerte», erklärt Julien Anet. «Um auch Messdaten zwischen den fixen Sensorstationen erfassen zu können, haben wir uns entschieden, zusätzlich Velos mit Sensoren auszustatten.» Warum aber sollten es Velos sein? Julien Anet erklärt die Entscheidung folgendermassen: «Wir hätten natürlich die Sensoren auch auf Trams installieren können, allerdings hätte das die Wartung und das Auslesen der Daten recht kompliziert gemacht.» Zudem fahren Trams gezwungenermassen immer wieder auf den gleichen Strecken. Ausserdem fügt er noch eine persönliche Motivation hinzu: «Ich bin selbst ein ‘Gümmeler’ und habe daher Spass daran, mit Velos zu arbeiten.»

Velokurier:innen liefern Daten

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Die Velokuriere sind pro Tag bis zu 150 Kilometer unterwegs – optimale Voraussetzungen, um Daten zwischen den fixen Messstationen zu sammeln. / Fotos: Caroline Krajcir

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Drei Lastenräder der Kuriere wurden daher für mehrere Wochen mit den Messgeräten ausgestattet. Das Einzugsgebiet umfasst nicht nur das Stadtzentrum Zürich sondern auch die Agglomeration sowie umliegende Städte.

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Die Sensoren montierten die Forschenden unterhalb der Ladefläche der Lastenvelos.

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Um die aufgezeichneten Temperaturdaten auslesen zu können, wurden die Sensoren regelmässig vor Ort ausgemessen.

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In einer Karte werden die von den Sensoren aufgezeichneten Temperaturen visualisiert. Sie soll Aufschluss darüber geben, wo sich in der Stadt Zürich Hitze-Hotspots befinden oder entwickeln können.

Erste Prototypen eines Messgeräts wurden von den Aviatik-Studierenden Soneesh Gill und Manuel Walter in einer Projekt- und Bachelorarbeit entwickelt und an Mietvelos der Firma PubliBike getestet. Nach dem Abschluss der Arbeit wollten die Forschenden das Projekt unbedingt weiterführen. Mit den Mietvelos liess sich jedoch nicht sicherstellen, dass diese auch so weit bewegt werden, um ausreichend Daten zu sammeln. Kurzerhand entschied sich Julien Anet, die Zürcher Kurierfirma Veloblitz in das Projekt miteinzubeziehen. Die Velokuriere sind pro Tag oft über hundert Kilometer im Stadtgebiet unterwegs – optimale Voraussetzungen, um Daten zu sammeln. Drei Lastenräder der Kuriere wurden daher für mehrere Wochen mit den Messgeräten ausgestattet. «Im Kurieralltag waren die Messgeräte hohen Belastungen ausgesetzt. Klar fallen die Sensoren dann auch irgendwann aus, da die Sensorgruppen technisch nicht unbedingt dafür ausgelegt sind,» erklärt Julien Anet. «Aber dennoch haben wir genug Daten gewinnen können, um einige der Lücken in unserem Sensornetz zu ergänzen. Sie sind ein wichtiger Teil dieses Puzzles.»

Effiziente Datenübertragung

Damit die Klimawerte zur Weiterverarbeitung zur Verfügung standen, mussten sie kontinuierlich an einen Server übertragen werden. Um diese geringen Datenmengen möglichst laufend und überall zu senden, wurde das Long Range Wide Area Network (LoRaWAN) des Energieunternehmens ewz genutzt. Dieses ist aber nicht nur ein Energieunternehmen, sondern betreibt in der Stadt Zürich auch das Glasfasernetz, auf welchem das LoRaWAN aufgesetzt ist. Die LoRa-Technologie bezeichnet ein energieeffizientes Funknetz, das besonders für Internet-of-Things-Anwendungen geeignet ist. «Für ewz war es interessant, Erfahrung mit mobilen LoRa-Sensoren zu sammeln und gleichzeitig dieses Klimamessprojekt zu unterstützen», erklärt Marcus Cathomen, Technology and Innovation Project Manager bei ewz. «Wie sich gezeigt hat, war die Funkabdeckung des LoRaWAN ausgezeichnet und die LoRa-Technologie hat sich für diese Anwendung sehr bewährt.»

Realistische Klimakarte

Nach Abschluss der Datensammlung mit den Kuriervelos geht es nun an deren Auswertung: Als Erstes müssen die Zahlenreihen homogenisiert werden. «Die Daten wurden alle zu unterschiedlichen Zeiten aufgezeichnet, entsprechend muss man sie einander zuordnen», so Julien Anet. In einem nächsten Schritt wird für die einfachere Berechnung von statistischen Kennzahlen ein Raster der Stadt Zürich erstellt, in das die Daten eingegeben werden. Das Ergebnis ist wiederum eine Temperaturkarte – dieses Mal mit den konkret gemessenen Daten –, die beispielweise mit den modellierten Temperaturen verglichen werden kann. Aber vielmehr noch wird diese Karte Aufschluss darüber geben, wo sich in der Stadt Zürich Hitze-Hotspots befinden oder entwickeln können. Die Firma meteoblue kann dies in ihre Prognosen einbeziehen und somit ein Warnsystem für Institutionen wie zum Beispiel Altersheime aufbauen.

«Die Daten stellt das Projektteam Behörden zur Verfügung – zumBeispiel der Stadt Zürich, die die Erkenntnisse in die Stadtplanung einfliessen lassen könnte.» – Julien Anet, Leiter der Gruppe Meteorologie, Umwelt und Luftverkehr

Für Julien Anet spielt das Forschungsprojekt eine wichtige Rolle für die Gesellschaft. «Der Klimawandel ist Realität und wird in Zukunft immer mehr das Stadtklima beeinflussen. Es geht darum, die Bevölkerung zu schützen und ihr ein angenehmes Leben in der Stadt zu ermöglichen.» Aus diesem Grund stellen er und sein Forschungsteam die Daten den Behörden zur Verfügung. So zum Beispiel der Stadt Zürich, die die Erkenntnisse im Rahmen eines Pilotprojektes in die Stadtplanung einfliessen lassen könnte, wenn es darum geht, klimaoptimierte Bauprojekte zu planen und umzusetzen. Ebenso sollen zukünftig in Zusammenarbeit mit meteoblue die gesamten Datensätze der Stadttemperaturen als sogenannte Open Government Data zur Verfügung gestellt werden, damit diese auch von der interessierten Öffentlichkeit eingesehen und genutzt werden können.

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